Die Landwirtschaft in alter Zeit

Beharrlich hat die Landwirtschaft seit undenklichen Zeiten den Menschen geprägt. Gebunden an den Wechsel der Jahreszeiten beschäftigt mit Säen und Ernten und den Tätigkeiten dazwischen. Landwirtschaft wird in Thüringen schon mehrere tausend Jahre betrieben. Vor etwa 1500 Jahren wurde die 3 Felder Wirtschaft eingeführt. Dies war ein großer Fortschritt in der Landwirtschaft und eine große wirtschaftliche Umwälzung.


Maßgebend für die Urväter, die zuerst mit Axt und Rodehaue in früheren Zeiten den nie bestellten Boden vom Urwald abrangen, waren die Qualität des Bodens und günstige Wasserverhältnisse. Ein, im Sommer nicht versiegender Bach oder eine kräftige Quelle sind die Hauptbedingung für die Siedlung an einem bestimmten Ort. Bald entstanden Burgen an solchen Orten. Der Burgherr dem die Bauern die Burg erbauen mussten, war über lange Zeit der Gebieter über diese Bauern. Die Herren hatten es mit der Zeit nicht mehr nötig selbst zu wirtschaften. Sie brachten ihre Lehensleute so weit, dass sie ihm Frohn leisten mussten, ja sogar Fleisch, wie Geflügel oder Hammel ablieferten. Selbst Geldzinsen wurden den Bauern auferlegt. Es gab viele Ursachen dafür warum ein Bauer seinen Grundbesitz dem einem Adligen oder der Kirche übertrug. Ein freier Bauer war wehrpflichtig, abhängige Bauern aus ökonomischen Interessen des Grundherren nicht. Ein weiterer Grund waren Schulden oder Erbteilung. Ein zu klein gewordenenr Hof konnte die Familie nicht mehr ernähren. Wenn ein Bauer seinen Grundbesitz dem Lehnsherren übertrug, bekam er Land zur Bewirtschaftung zurück. Als Entgeld entstanden eine Reihe Frondiensten und Abgaben.

 

Jährliche Abgaben

Feldzehnt (Getreide, Garten u. Baumfrüchte), Blutzehnt (Haustiere, Eier, Butter, Milch Honig) Grundzins (Abgabe nach der Größe des hörigen Landes) Kopfsteuer (Abgabe nach der Anzahl der Familienmitglieder)


Besondere Abgaben

Abgabe für Heiratserlaubnis, Todesfall, Umlagen für den Kriegsfall

 

Frondienst

Arbeit auf dem Herrenhof bis 4 Tage pro Woche, Sonderarbeiten zur Saat- u. Erntezeit, Holzschlag, Wege- und Brückenbau

 

Zeiten für die Abgaben

Walpurgis-Lämmerzehnt, St. Urban - Zehnt der Obstgärten, Johannis - Fleischzehnt, St. Margarethe - Kornzehnt, Mariä Himmelfahrt - Gänsezehnt, Bartholomäus Eier, Getreide, Geld

 

Von den im frühen Mittelalter entstanden Orten, sind viele wieder eingegangen. Besonders Ortschaften, welche auf nicht ertragreichen Böden lagen . In der Gegend um Mülverstedt sind hier Winhusen und Litzelfeld bekannt. Beide Orte lagen hoch am Wald auf stark tonhaltigem Boden verbunden mit Wassermangel.
 
Gründungsjahre der Dörfer und Herkunft der Siedler liegt ganz im Dunkeln. wie die anfängliche Zahl der Kolonisten. Wie ein Haufen zusammen gewürfelter Häuser, trifft man das nach der ursprünglich regellosen Bauart genannte Haufendorf in unserer Gegend an.Wie es der Boden und der persönliche Geschmack des Einzelnen zuließ, so steckte jeder eine bescheidene Stätte ab, die Heim, Haus, Hof und Stall umschließen sollte.


Später lagen Herrensitz und Gemeinde in einer Umfriedung. Der Edelsitz oder Burg ist mit einem Wassergraben umgeben. Zu der hier in Mülverstedt befindlichen Wasserburg führten einst zwei Zugbrücken. Das Dorf war mit einer Lehmmauer und stellenweise mit einer Dornenhecke und Grasziegelwand umgeben. In Mülverstedt erinnert daran die Flurbezeichnung "Haarwand". Auch drei Tore fand man hier: Langensalzaer- und Mühlhäuser Tor sowie das Holztor im Oberdorf. Diese Tore wurden abends geschlossen und morgens geöffnet. Torwächter und Nachtwächter behütetet den Schlaf der Bewohner. Sobald Gefahr in Anzug oder eine Feuersbrunst die Anwesen bedrohte bliesen die Wächter in ihr Horn und die Glocken der Kirche wurden geläutet. Die aus Steinen massiv gemauerte Kirche war der Zufluchtsort für die Bewohner, meist für Frauen und Kinder, wenn große Gefahr bestand.


Das schon vor dreitausend Jahren in Mülverstedt Landwirtschaft betrieben wurde steht fest. Man hat bei Bauarbeiten und beim Pflügen immer wieder steinerne Flugscharen gefunden. Die bisher größte steinerne Flugschar wurde 1937 auf einem Feld links der Weberstedter Straße gefunden. Diese steinernen Flugschar weist deutliche Schleifspuren auf.

 

Steinpflug 

 

Das Bild der Flur hat sich im Einzelnen stark verändert. Die größte Veränderung brachte die Separation. Felder wurden zusammenlegt und getrennt und neue Wege und Gräben anlegt. Auch Austausch mit den Nachbargemeinden musste vorgenommen werden. Mit Hilfe der Flurnamen lässt sich heute noch einiges rekonstruieren und den einstigen Besitz der Gemeinde herstellen. So heißt es oberhalb des Dorfes "Unterm Gemeindelande", die "Weberstedter Mark", das "Weberstedter Gewende". In den Flurkanten von Weberstedt findet man die "Mülverstedtert Mark", das "Mülverstedter Gewende". Auch die Bezeichnung für die Dreifelderwirtschaft lassen sich heute noch feststellen. In Mülverstedt sind die Bezeichnung Oberfeld, Unterfeld, Langensalzaer Feld und Mühlhäuser Feld bekannt. Jeder Besitzer musste, um der Dreifelderwirtschaft gerecht zu werden, in allen drei Fluren Besitz haben. Die Flur teilte sich in drei Anlagen und zwar abwechselnd aufgeteilt in Sommerfeld, Winterfeld und Brache. Diese Anordnung musste von jedem Landbesitzer eingehalten werden.


Die Dreifelderwirtschaft entstand im 8 Jahrhundert. Das Winterfeld wurde im Herbst mit Roggen, Wintergerste oder Weizen bestellt, das Sommerfeld mit Gerste und Hafer. Das Brachland oder Brache blieb unbenutzt. Brachland wurde zum Winterfeld, das Winterfeld zum Sommerfeld so entstand der dreijährige Wechsel. Dieser Flurzwang war für alle Bauern bindend. Nur so lies sich der landwirtschaftliche Betrieb zu damaligen Zeit lohnend aufrechterhalten. Nach erfolgter Bestellung bis zum Beginn der Ente galt das Feld als "geschlossen" und durfte nicht betreten werden. Das Winterfeld durfte nicht vor St. Michaeli dem 29 September betreten werden. Das Sommerfeld musste bis zum ersten Mai bestellt sein. In dem jährlich stattfindenden Walpurgismahl und dem Jakobimahl wurden die Bestimmungen über die Benutzung der Feldmark verlesen. Übertretungen ahndete der Heimbürge mit einer Geldstrafe von 20 Groschen. Allgemein fand jährlich eine Besichtigung der Flur statt, hier wurden die Standorte der Grenzsteine begutachtet.


Die Dreifelderwirtschaft hatte einen entscheidenden Nachteil, 1/3 des Landes blieb ungenutzt. Anfang des 18. Jahrhunderts begann man die Brache zu "besömmern" dann wurden Hülsenfrüchte und Kraut angebaut. Die verbesserte Dreifelderwirtschaft wurde in einzelnen Fluren durch den Waidanbau im 15. Jahrhundert eingeleitet. Die beginnende Mechanisierung und die Separation beendeten die Dreifelderwirtschaft endgültig. Heute wechselt man nur noch die Frucht. Auf Getreide folgen Hackfrüchte oder Futterpflanzen.


Hatte ein Bauer in einer der drei Fluren kein Besitz, so fehlte ihm in einem Jahr die Winter- oder Sommerfrucht. Ein Landbesitzer war an die Dreifelderwirtschaft gebunden, denn auf der Brache war von Frühjahr bis zum späten Herbst das gesamte Vieh des Dorfes auf der Weide. Hatte ein Bauer eine Wiese in der Brache so konnte er für diese Zeit die Wiese nicht für die Heuernte nutzen. Daraus ergab sich zwangsläufig, dass vor Jahrhunderten, bei der Aufteilung, jeder Einwohner der Gemeinde im Oberfeld, Unterfeld und Mühlhäuser Feld Besitz zugewiesen bekam. Dies war soviel, dass er mit seiner Familie leben konnte. War die Familie kinderreich oder lebten die Groß- und Urgroßeltern noch im Haus so sah der Speiseplan manchmal recht karg aus. Ein großer Teil des Bodens wurde in gemeinsamen Besitz der Gemeindemitglieder gebracht. Dies betraf den Besitz an Weide, Trift und Wald. So entstand der Name Allmende - für die Gemeinde - für alle. In Mülverstedt war der Gemeindwald dafür bestimmt. Von den Mülverstedtern hatte jeder einen Anteil an dem Holznutzen der so genannten Laubgenossenschaft . Der Anteil war gerecht aufgeteilt. Durch Kinder und Enkel und mit den damit verbunden Änderungen kam es zur Einrichtung der Gemeindeteile, die sich besser berechnen ließen. Diese Aufteilung hatte auch nach der Durchführung der Separation noch Bestand. Neu zugezogene Bewohner erhielten auch einen eigenen Anteil vom Gemeindebesitz. 


Bekannt ist, das jeder Dorfbewohner vor Zeiten eine Hufe (30 Morgen) Land zur Bewirtschaftung und zum Unterhalt seiner Familie erhielt. Dies hat sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder geändert. Später wurde der Besitz unter den Erben aufgeteilt. Auch wurde dieses "Hausland" oft für 10 oder mehr Jahre verkauft. Der Verkäufer konnte es problemlos nach Ablauf der Frist und vereinbarten Zeit zurückkaufen. Manchmal kam es vor, dass durch Missernte, Unwetter und schlechte Wirtschaft der Bauer das Land nicht mehr einlösen konnte oder das Grundstück war zu groß zum Bewirtschaften und wurde verkauft und nicht wieder zurückgekauft. Später kam es dazu, dass fast alle Dorfbewohner ihr Feld nur noch in Lehen hatten. Seit dem 9 Jahrhundert waren dies die Herren von Mülverstedt. Ab dem 13 Jahrhundert übernahmen die Herren von Hopffgarten die Lehnsherrschaft. Auch die Kirche und das Kloster St. Wilhelmi waren Obrigkeiten. Sie hatten von den Herren von Hopffgarten für ihr Seelenheil Land erhalten. Die Grundbesitzer bearbeiten ihr Land nicht selbst, sondern verpachteten ihre Wiesen und Äcker an ihre Gläubiger.


Bis zum Jahr 1854 hatten Mülverstedter Bauern vom Kloster St. Wilhelmi eine Hufe Land in Nutzung dass als Lastgut auf diese Landwirtschaften eingetragen war. Als Pacht wurden vertraglich vereinbarte Naturalien wie Hafer und Gerste, von der Kirche zur Versteigerung eingezogen.


Der Grundherr, Herr über Leben und Besitz des Dorfbewohners konnte seinen Besitz ständig vergrößern. Kam es vor, dass ein Bauer seinen Abgaben und Zinsen nicht aufbringen konnte, so wurde ein Teil des Grundbesitzes durch den Lehnsherrn der gleichzeitig "zufällig" auch Gerichtsherr war, eingezogen. Die Herren besaßen bis zur Separation in allen drei Flurteilen der drei Felderwirtschaft viele Äcker. Sehr viele, waren davon waren nur ½ Acker groß und lagen verstreut zwischen Äckern der Lehnsbauern. Dieser Grundbesitz entstand aus den nicht gezahlten Abgaben, Steuern und Pacht der Bauern.


Ein Bauer konnte nicht uneingeschränkt über seine Äcker und Wissen verfügen. Nach gemeinsamen Beschluss der bäuerlichen Gemeinschaft im Dorf wurden die Wege im Feld "geöffnet". Vom ersten Pflügen und Säen im Frühjahr wird die Flur "gehegt" bis zur Erntezeit. Diese allgemeine Feldordnung war auch für den Lehnsherren bindend wenn er seine Felder mit in der Dorfgemeinschaft hatte. So blieb es bis zur Zusammenlegung bei der Separation. Unsicher und schwankend war anfangs die Mark oder Grenze, solange der Wald, Brachland und Lehde die Umrisse des Gemeindebesitzes bildeten. Gräben und Grenzzäune mit Falltoren an wichtigen Durchlässen sonderten im Mittelalter Flurmark von Flurmark.

Uralt ist die bis in heutige Tage geltende Ackermaßbezeichnung "Morgen". Ein Morgen war annähernd gleichbedeutend mit einem "Acker" . Dies ist soviel Land wie an einem Tag umgepflügt werden konnte. Ein "Striegel" ist die Ackerfläche von einer "Rute" Breite. Ein "Sottel" ist 2 Ruten breit. Ein "Gelänge" ist die Ackerfläche von 4 "Ruten" Breite. Ein "Gebreite" ist die Ackerfläche von 8 "Ruten" Breite.


Also sind:
1 Gebreite = 2 Gelänge = 4 Sottel = 8 Striegel

 

Ein Hufen sind etwa 2025 Ruten im Quadrat oder 70 Morgen (Acker)

 

Große Unsicherheit herrschte auch in den gebräuchlichen Getreidemaßen. Man rechnete in Mülverstedt in Preußischen, Mühlhäuser- und Nordhäuser Maßen.

 

1 Preuß. Maß = 0,8588 Liter
1 Nordhäuser Maß = 3,8 Liter
1 Preuß Metze = 3,4352 Liter = 4 Maß
1 Nordhäuser Metze = 2,85 Liter = ¾ Maß
1 Preuß. Scheffel = 54,96 Liter = 16 Metzen
( 38 Kg Roggen, 40Kg Weizen)
1 Langensalzaer Scheffel = 43,3 Liter
1 Gothaer Scheffel = 88,3 Liter
 

Der Wiesenbau war in Mülverstedt nur sehr wenig entwickelt. Die meisten Wissen besaß die Gemeinde, ebenso wie das Gemeindland, die Triften und die Rainwege. Entweder verkaufte man die einzelnen Grasflecken oder man verloste sie. Die Gemeinde erhielt dafür die Pacht. Klee und andere Futterarten kamen erst vor 150 Jahren dazu.


Ein Sonderfall war die Hutung. Vor der Separation gab es in Mülverstedt besondere Bestimmungen über die Nutzung. Es war genau festgelegt, wie viel Schafe jeder Bauer halten durfte, abhängig von der Größe des bestellten Landes. Die Gänse-, Schaf-, Schweine- und Rinderherden wurden in einer bestimmten Reihenfolge und zeitlichen Abständen auf die Weide und Felder getrieben. Die Wiese durfte bis 23. April behütet werden. Auf einschürigen Wiesen durften Schafe, Gänse und Rinder nach dem Jakobitag (25. Juli) getrieben werden.


Auf zweischürigen Wiesen war dies erst nach dem 10. Oktober erlaubt. Vom 1. April an wurden die Gänse auf das Brachfeld getrieben. Nach dem 1. Mai folgten die übrigen Herden. Das Brachfeld durfte nach dem 24. August nicht mehr betreten werden. Ab hier wurde bis zum St. Michaelistag das Winterfeld für die Herden freigegeben. Zuerst natürlich wieder für die Gänse. Nach dem Michaelistag trieb man die Herden in das Sommerfeld. Wälder waren hutfrei, einzeln hüten war streng verboten.


Alte Aufzeichnungen in Kirchenbüchern und Gemeindeakten zeigen, dass die Abgaben an die Kirche und v. Hopffgarten immer wieder nur Roggen, Gerste und Hafer vorschrieben. Somit war der Anbau von Weizen in Mülverstedt nicht sehr gängig. In einem Pachtvertrag aus dem Jahr 1761 des Gutes II kann man auch keine Anmerkung über Kartoffeln finden. Ebenso sucht man vergebens nach dem Anbau von Klee. Ursache waren die Holzpflüge mit denen war das Umpflügen von Kleeacker nicht möglich. Dies änderte sich erst gegen 1850 mit der Einführung von Eisenpflügen. Zuckerrüben wurden sehr spät erst ab 1890 angebaut. An der Stelle der jetzt üblichen Kartoffelfelder fand man viel Kraut, Runkelrüben und Möhren. Auch Bohnen wurden angebaut ebenso Erbsen und Linsen. Besonders gut wuchsen nach alten Aufzeichnungen die Linsen im Ihlefeld.


In Früheren Zeiten wurde in Mülverstedt auch Färbewaid angebaut. In früheren Schriften finden sich die Ortsbezeichnungen "Waidmühlengasse" und "Bei der Waidmühle" . Nach Aufzeichnungen im Langensalzaer Archiv befand sich 1575 eine Waidmühle im Besitz der Kirche. Die spätere Waidmühle war im Besitz der Gemeinde. Bis Ende des 15 Jahrhunderts war der Waidanbau in großer Blüte.


Noch größeren Raum nahm in früheren Zeiten der Flachsanbau ein. Egal ob Arm oder Reich man trug leinerne Wäsche, die von der Faser angefangen im eigenen Haus erzeugt wurde. Auch Schafwolle von den eigenen Schafen wurde versponnen und zu Wollsachen gewebt. So wurden Anzüge und Mäntel für den Kirchgang hergestellt. Wochentags gab es leinerne Hosen und Kittel, so genannte Beidermannskittel und für Frauen Blusen, Jacken und Röcke teilweise mit Zierereien geschmückt.

 

Unzertrennbar mit der Landwirtschaft war von jeher die Viehwirtschaft. Das Vieh war der Reichtum der Besitzer. Der Kuhbestand war in Mülverstedt nicht sehr groß. Durch die wenigen Weiden fehlte das Winterfutter. Dreifelderwirtschaft und fehlender Dünger ließen keinen Platz für Futterpflanzen. Die Schafzucht wurde dagegen wurde stark betrieben, denn sie brachte Fleisch und Wolle. Die Besitzer der Schafe brachten Ihre Tier vor der Schur zur Schafsgasse um die Tiere im Bach zu waschen. Nach der Wäsche folgte die Schafschur. Die Hausfrauen bearbeiteten dann die Wolle, der größte Teil wurde auf dem Schafsmarkt in Mühlhausen verkauft. Wichtig, ohne Schafsbraten gab es im Dorf kein Fest oder Kirmes.

 

Erst richtig Leben brachte früher auf dem Bauernhof das Federvieh. Das Ei war ein wertvolles Nahrungsmittel und ein Gänsebraten wurde in früheren Jahren gern gegessen. Auch der Lehnsherr und der Pfarrer verlangten von jedem Haus eine Gans und ein bis zwei Hühner. Gängig war auch die Ablieferung von so genannten Rauchhühnern, dass heißt geräucherte Hühner wurden unter den Abgaben im Grundstücksbuch aus dem Jahr 1808 festgehalten. Jedes Haus in Mülverstedt musste ebenfalls 2 Eier und 2 Brote an die Lehrer der Knabenschule abliefern.


Daß früher auch Schweine auf die Hutweide getrieben wurden ist in Mülverstedt bekannt. Wer kein eigenes Land besaß konnte dies nicht tun, trotzdem wurde in fast jedem Haus Schweine gehalten.. Die Tiere wurden auch ohne Land irgendwie über das Jahr gemästet. 


Auch die Bienenhaltung war in früherer Zeit weit verbreitet. Oft war der erzeugte Honig die einzige Möglichkeit für den Bauern an Zucker zu kommen. Fast alle Einwohner unserer Gemeinde waren in früherer Zeit Mitglieder der Laubgenossenschaft. Die Mitgliedschaft war sehr wertvoll. Jeder erhielt jährlich seinen Anteil an Brennholz. Für den Neubau von Häusern oder für Reparaturarbeiten gab es ebenfalls Bauholz. Zu einem großen Fest war es Brauch und Plicht für die Laubgenossenschaft einen "Kuchenbaum" zu stiften. Dieser diente als Brennholz zum Backen und Braten für Familie welches das Fest ausrichtete.


Als um 1820 die Bebauung des Besenmarktes in Mülverstedt begann, siedelten sich arme Weber und Tagelöhner in dieser Straße an. Diese Leute waren nicht Mitglied der Laubgenossenschaft. Ihnen fehlte das notwendige Bauholz daher sind die Häuser am Besenmarkt besonders klein. 

 

Erntebräuche und Erntearbeiten in vergangener Zeit

Die Erntezeit bringt viel Arbeit, belohnt aber den Bauern für seine Mühen des Jahres. Schon am Abend des vorhergehenden Tages wurde alles Notwendige bereitgelegt. Um den nächsten Tag voll nutzen zu können. Alle Sensen waren gedengelt denn sie mussten haarscharf schneiden. In allen Ecken des Dorfes klang der Ton des Dengelns.


Am nächsten Tag sehr früh, ging es zur Arbeit. Die Schnitter, die Sense auf der Schulter und die Schnitterin mit Frühstückskorb im Arm und Sichel in der Hand. Unter fröhlichem Geplauder war das Kornstück bald erreicht. Mit einem "Walts Gott" tat der Schnitter den ersten Schlag. In das dicht stehende Getreide. Jedem Schnitter folgt eine Schnitterin die mit der Hand und der Sichel die abgemähten Halme abnahmen und zur Seite legte. Waren die Schnitter mit einer Schwade durch, so wurden die Sensen mit einem Wetzstein von beiden Seiten geschärft. Zum Anfeuchten des Steines hatte jeder Schnitter eine mit Wasser gefüllte Wetztülle am Gürtel. "Fleißiges Wetzen hält den Schnitter nicht auf" sagt ein Sprichwort.

 

In Mülverstedt war es brauch, wenn Bauer oder Gutsherr auf das Schnittfeld kam, wurde er "gebunden". Es wurde ihm ein Kranz aus Ähren und Feldblumen über den Arm geschoben. Die Schnitterin sagte folgenden Spruch auf:

 

Heute haben wir angeschnitten,
da ist es Mode und Sitten
Unseren Herren zu Ehren
Ein Kränzchen zu verehren.

 

Der Angebundene löste sich durch ein Geldgeschenk aus und die Schnitter strichen ihm zu Ehren die Sensen.


Das abgemähte Getreide wurde, wenn das Feld fertig gemäht war, zu Haufen, den so genannten Puppen zusammengestellt. Zum Schutz gegen Regen wurden 3 Garben auf den Haufen als Dach gelegt. Gerste und Hafer blieben zum Trocknen liegen und wurden später zusammengebunden und zu Puppen zusammengestellt.

 

Die Mülverstedter Familie Schütz in den 20er Jahren bei der Ernte am Heroldishäuser Stein.

Die Mülverstedter Familie Schütz in den 20er Jahren bei der Ernte am Heroldishäuser Stein

 

Der Aberglaube war damals stark, so glaubte man das Erntefeld ist von guten und bösen Geistern bewohnt. Leere Streifen, entstanden durch Wildwechsel, die sich durch das Feld zogen schrieb der Volksglaube den "Binsenschnittern" zu, die voll Bosheit und Neid in der Nacht durch die Felder gingen um die Ernte zu verderben. Wenn Kinder bei der Ernte zu weit in das Feld eindrangen, rief die Mutter ihnen zu "geht nicht hinein, die Roggenmuhme sitzt drin.". Kinder mussten früher oft bei der Ernte mithelfen indem sie die Bänder zum Binden der Graben auflegten. Man stellte sich die Roggenmuhme als steinalte Frau mit strohgelben Haaren vor. Die Kinder schreckte man, damit sie nicht das ganze Getreide zusammen traten. In früher Vorzeit glaubte die Menschen an solche Gespenster und war immer vorsichtig, um sie nicht zu beleidigen. Wer den letzten Sensenschlag auf dem Feld tat, der hatte den "alten Mann", die letzte Garbe war die "Alte". Das erste Fuder, das im Jahr eingefahren wurde lenkte der Besitzer selbst. Oft steckte man vor Sonnenaufgang den die vier Scheunenecken Erlenreiser um das Getreide vor Mäusefraß zu schützen. Der Kutscher der keinen Fuder schief geladen und umgeworfen hatte, wurde nach der Ernte mit einem Hahn belohnt. Er durfte ihn selbst schlachten und verzehren. Nach dem Glauben in früherer Zeit gab es einen Korndämonen, der von Ackerstück zu Ackerstück floh um beim Ernten nicht erreicht zu werden. Dieser Dämon hatte die Gestalt eines Hahnes.


Mit der letzten Erntefuhre war auch das Einbringen des Erntekranzes der mit bunten Bändern auf den Garben lag, verbunden. Im festlichen Zug folgten Schnitter und Schnitterinnen und alle Anderen, die mit der Ernte zu tun hatten auf den Gutshof und überreichten dem Herrn und dessen Frau den Erntekranz. Hierauf wurden die Erntehelfer bewirtet und ein munterer Tanzabend schloss sich an.


Nach der Kartoffel oder Rübenernte begann dann das Ausdreschen des Getreides. Je nach Größe der Tenne wurden acht bis zehn Garben zunächst vorgeklopft und dann mit der Ähre zur Mitte zu einem "Stroh" abgelegt. Im Takt des Dreier- oder Viererschlag tanzten die Dreschflegel auf und nieder. Das leere Stroh wurde zu "Schütten" gebunden und weggebracht und ein neues "Stroh" zum dreschen aufgelegt. Das ausgedroschen Getreide wurde zur Seite geschoben und wöchentlich ein bis zweimal gereinigt. Mit einer Wurfschaufel wurden die Körner in der Tenne von einer zur anderen Seite geworfen. Die vollen Körnen flogen am weitesten. Das sogenannte Hinterkorn flog nicht so weit und das Spreu fiel gleich nieder.